Experten haben oft Schwierigkeiten, sich in die Fragestellung von Laien hineinzuversetzen. Das sieht man Websites und deren Inhalten auch an. Wenn Inhalte und Bedürfnisse der Besucher aber nicht in Einklang stehen, wird die Webseite von Suchmaschinen nicht nach vorne gereiht. Schlechter Content stellt Besucher einer Website außerdem nicht zufrieden.
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Schlechter Content preist Produkte als Feature-Sammlungen an
Im Vertrieb von Software und SaaS-Tools hört man immer wieder den Spruch, man müsse „Benefits, not features“ verkaufen. Es geht also darum, den Kunden zu erklären, was konkret sie jetzt durch den Kauf eines Software-Tools besser, einfacher, schneller oder billiger erreichen könnten. Es geht aber nicht darum, dem Kunden zu erklären, welche optimierten Algorithmen, oder welche moderne Programmiersprache für die Entwicklung des Tools zum Einsatz kommen.
Das ist bei Webseiten aller Art nicht anders: Auch auf diesen sollten die eigenen Dienste aus Kundensicht dargestellt werden, nicht aus Expertensicht.
Experten erklären nunmal lieber Features
Doch genau die technischen Einzelheiten sind es, die Experten, Handwerker und Techniker als erstes erklären wollen. Klar, schließlich sind sie stolz auf ihre Lösung. Zu recht. Sie haben fundiertes Fachwissen und Erfahrung, und mit Einsatz und Schweiß haben sie das dann auch noch in ein funktionierendes Produkt oder eine tolle Dienstleistung überführt.
Ich war genau so.
Als ich vor Jahren meine erste Website erstellt habe, habe ich kein Wort über den Kundennutzen verloren. Ich habe auch nicht nach den Zielen des Kunden gefragt. Stattdessen erklärte ich, warum ich ein bestimmtes Web-Framework gewählt hatte, und wie toll es doch zukünftig wäre, hier problemlos Code auszutauschen. Die Lösung war auch wirklich toll.
Doch das verstand der Kunde nicht. Er wollte ja nur eine Website. Aus seiner Sicht völlig nachvollziehbar.
So oder ähnlich erleben das Kunden auf Websites aller Art: Handwerker, Dienstleister, Ingenieure, Ärzte – alle sprechen in Fachkauderwelsch, das ihnen vielleicht naheliegend erscheint. Alle sprechen von Details ihrer Lösungen, anstatt den Kunden erstmal abzuholen.
Den Kunden abholen: Über Problemstellungen reden
Den Kunden abzuholen, ist eigentlich ganz einfach. Es geht darum, die eigenen Produkte und Dienstleistungen nicht mit ihren technischen Einzelheiten, Features und Vorzügen anzupreisen, sondern den Kundennutzen für die Lösung der Problemstellung des Kunden in den Vordergrund zu rücken.
Warum macht man das? Weil der Kunde kein Experte ist, und meist auch nicht sein möchte. Er hat daher das Vokabular nicht, um nach denselben Begriffen zu suchen, die ein Experte des jeweiligen Fachgebiets verwenden würde. Als Resultat stimmen Suchbegriffe nicht mit den Inhalten auf der Website überein. Eine Suchmaschine erkennt die gebotenen Inhalte nicht als relevant.
Ein Kunde möchte möglichst schnell und möglichst unkompliziert eine Lösung für ein Problem. Er sucht daher auch nach diesen Problemen (und nicht nach Einzelfeatures, die eventuell eine Lösung für dieses Problem darstellen könnten).
Beispiel 1: Ein Patient hat Zahnschmerzen.
Der Patient sucht möglicherweise nach
Zahnschmerzen
Zahnweh
Zahn tut weh
Schmerz im Zahn was tun?
Eine typische Zahnarzt-Website spricht hingegen von:
Wurzelspitzenresektion
Inlays
Kronen
Versiegelungen
Parodontose-Behandlung
Beispiel 2: Ein Kunde hat einen Wasserrohrbruch. Er wird nun nach einer Problemlösung suchen.
Mögliche Suchbegriffe des Kunden:
Wasserrohrbruch
Wasserschaden im Haus
Mauer feucht was tun?
Rohr undicht
Eine typische Website eines Installateurs spricht von:
Dämmschichttrockner
Hohlwandtrocknung
Kondensattrockner
Feuchtigkeitsmessung
Hier stehen Suchbegriffe und Problemstellungen nicht in Einklang mit den auf den Websites angebotenen Informationen.
Doch Achtung: Natürlich darf auch die eigene Expertise entsprechend (und unter Verwendung von Fachbegriffen) dargestellt werden. Das sollte aber erst weiter unten auf der Seite, oder auf einer Unterseite passieren. Zuerst muss der Kunde abgeholt werden.
Produktmanagement und Requirements Engineering im Webdesign
Im Produktmanagement geht es vor allem ums requirements engineering. Herauszufinden, was der Kunde denn eigentlich machen möchte, und welche Funktionalitäten ihm dafür nützlich wären, ist ein essentieller Teil der Produktentwicklung.
Im Webdesign und Online Marketing ist das nicht anders. Die erste Fragestellung bei der Erstellung einer Website sollte sein:
Was ist das Ziel dieser Webseite?
Was soll sie leisten? Wenn soll sie erreichen? Was sollen die Besucher auf der Webseite finden und tun? Antworten könnten zum Beispiel lauten:
- Elektronische Visitenkarte mit Kontaktmöglichkeit, ohne weitere Funktion (der einfachste Fall)
- Gefunden werden und Awareness für das eigene Produkt / die eigenen Leistungen schaffen
- Kundenakquisition
- Kundenbindung durch nützlichen Content
- Verkaufsplattform/Online-Store
- Plattform, die das Produkt erst ermöglicht (zum Beispiel für Online-Kurse)
- Und so weiter.
In der Praxis wird eine Webseite heute meist mehrerer dieser beispielhaften Aufgaben übernehmen. Doch es ist meist nicht sinnvoll, alle abdecken zu wollen. Je klarer das Ziel abgesteckt ist, desto besser kann man ihm gerecht werden.
Requirements Engineering als Verantwortung des Webdesigners
Es ist ganz klar die Verantwortung des Webdesigners, den Kunden diesbezüglich auch anzuleiten. Zu hinterfragen, die Ziele des Kunden auch auf ihre Sinnhaftigkeit abzuklopfen gehört da durchaus dazu. Wer als Webdesigner die initiale Zieldefinition des Kunden unhinterfragt übernimmt, handelt wahrscheinlich fahrlässig. Denn es ist nicht die Aufgabe des Kunden, sich so intensiv mit Online-Marketing auseinanderzusetzen, wie das ein Anbieter tun sollte. Dementsprechend können die Ziele des Kunden auch auf falschen Annahmen beruhen. Ein Anbieter sollte dem entgegenwirken und den Kunden „coachen“.
Es ist ein üblicher Vorgang, zuerst mit ganz klaren Vorstellungen konfrontiert zu werden. „Ich brauche X“. Wer nun „X“ umsetzt, wird wahrscheinlich nicht das erreichen, was der Kunde eigentlich wollte. „X“ hat der Kunde wahrscheinlich irgendwo aufgeschnappt, oder bei der Konkurrenz gesehen. Das bedeutet aber nicht, dass das auch die richtige Lösung für die eigenen Ansprüche ist.
Requirements Engineering als Aufgabe des Kunden
Doch auch der Kunde muss seinen Teil zum Requirements engineering beitragen. Dabei geht es darum, sich in die eigene Zielgruppe hineinzudenken. Als Dienstleister oder Anbieter eines Produkts kennt man ja die Probleme seiner Zielgruppe, und genau auf diese gilt es, in der Beschreibung der eigenen Dienste einzugehen.
Als Fachexperte muss der Kunde hier die passenden Texte, zumindest aber die Stichworte und Eckpfeiler möglicher Texte liefern. Das auszulagern (an den Webdesigner, oder günstige Content-Agenturen) schlägt meist fehl. Das Resultat von Content-Outsourcing lässt sich an vielen erschreckenden Beispielen sehen. Man erhält oft Artikel, die einer fachlichen Prüfung nicht standhalten, die wahllos Keywords aneinanderreihen, ohne wirkliche Information zu bieten.
Content ist daher Aufgabe des Kunden – zumindest mitwirken muss der Kunde hier. Der Kunde muss sich die Mühe machen, sich von seiner Expertensicht temporär zu lösen, und die angebotenen Dienste aus Kundensicht zu betrachten:
Was bringt meine Leistung? Wann soll der Kunde diese in Anspruch nehmen? Was hat er davon?
Wie macht man’s besser?
Wir greifen noch einmal die obigen Beispiele auf:
In Beispiel 1, könnte sich der Installateur überlegen, seine Trocknungsdienste nach Wasserrohrbruch für den Kunden plakativ zu beschreiben:
„Wasserrohrbruch? Wir reparieren im Raum Graz nicht nur Ihren Schaden, sondern trocknen auch Wände, Böden und Decken schnellstmöglich. Zudem übernehmen wir die gesamte Schadensabwicklung und verrechnen direkt mit Ihrer Versicherung. Sie müssen sich um nichts kümmern.“
So ist der Kunde bei seinem Problem abgeholt. Im Nachgang kann dann immer noch die eigene Expertise beschrieben werden.
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